Mittwoch, 27. Oktober 2010

Hochaktuell

"Die offiziellen Verlautbarungen zum Thema Glück und Freiheit sind Ausdruck nicht nur einer ermüdenden Dummheit, sondern sind der mächtige Ausdruck, das gezielt eingesetzte Machtmittel einer herrschenden im althergebrachten Sinn dieses Wortes.
Die allgemeine Phraseologie in beiden Ohren, kapiert man plötzlich: Bei uns wird betrogen; bei uns werden öffentlich die Möglichkeiten des Menschen mißhandelt und ausgelacht; bei uns wird Macht ausgeübt im klassischen Sinn, also im Sinn einer herrschenden Klasse."

Christian Geisler (Westdeutschland)

Ich weiß weder, wer Christian Geisler ist noch wann er obiges Zitat von sich gegeben hat. Gefunden habe ich es in der Bilddichtung "Vom Glück des Menschen". Veröffentlicht wurde das Buch 1968 im VEB Fotokinoverlag Leipzig, DDR.

Freitag, 22. Oktober 2010

Für Freunde der russischen Sprache

Nein, es ist nicht Donnerstag, 20.00 Uhr und auch das 2. Programm des DDR-Fernsehens läuft nicht, aber russisch ists und niedlich obendrein:




Mittwoch, 20. Oktober 2010

Selten

habe ich Zeit, mich wirklich in der Blogger- und Bloggerinnen-Szene umzuschauen. Ich schaffe es kaum täglich, meine paar bevorzugten Blogs nach neuen Eintragungen durchzusehen, selbst mein eigener Blog kommt mitunter zu kurz.

Da ist es gut, wenn man Freunde hat, die einen immer mal wieder auf kleine Besonderheiten in und fern ab des Mainstreams aufmerksam machen, wofür ich an dieser Stelle sehr gern auch mal DANKE sage.

Heute flatterte mir eine Zuschrift zu einem Internetprojekt in das Mailfach. Das mit der Urhebernennung habe ich mal wieder nicht ganz verstanden und um keinen Ärger mit Abmahnungen zu bekommen, hier der Link zum Originaltext der "Betriebsbedingten fristlosen Kündigung".

Es ist auch interessant, in die Zuschriften reinzuschauen.


Minijobs sind Schei.e,


das weiß man eigentlich und trotzdem denkt man nicht weiter darüber nach. Wohl bis zu dem Moment, in dem es einen mehr oder weniger betrifft.

Es ist ja nicht so, daß ich nicht gemerkt habe, welch ein Glücksfall es ist, wenn Verkäuferinnen und Verkäufer noch einen Vollzeitvertrag in der Tasche haben, nein immer mehr geht es zu den Teilzeitjobs hin, damit die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen für den "menschen-" und kundenfreundlichen Arbeitgeber immer dann zur Verfügung stehen, wenn der das denn eben braucht. Wer der liebe Arbeitgeber seine Beschäftigten gerade mal nicht braucht, können die schließlich gut zum Sozialamt gehen.

Trotzdem war mir das Problem nicht wirklich bewußt, obwohl sowohl meine Tochter im Verkauf arbeitet (allerdings mit Vollzeitvertrag) als auch mein Sohn diesen Beruf erlernt.

Vorigen Donnerstag gab es bei ZDF.reporter einen Beitrag über die Minijobs im Handel. Vielleicht wäre auch das mit der entsprechenden Empörung an mir vorbeigerauscht, wenn nicht ausgerechnet die Lebensmittelkette, in der mein Sohn seit einem Jahr seine Praktika absolviert, beispielhaft für andere betrachtet worden wäre.

Wie unmoralisch, wie verkommen muß man eigentlich sein, sich vor die Kamera zu stellen und auszusagen, man hätte keine finanzielle Vorteile von dem arbeitsmarktpolitschen Instrument Minijob. Den Arbeitgeber kostet das außer den 400 EUR noch 15 % Pauschalabgaben, sollte der Minijobber noch ergänzende Grundsicherung beziehen müssen, zahlen das die Steuerzahler.

Aber nichts destotrotz kann die Kette seit 2001 laut Wikipedia auf regelmäßige Auszeichnungen hinweisen:

  • 2008: Bundesverdienstkreuz am Bande für Wolfgang Gutberlet für die hohe Ausbildungsquote, Schaffung neuer Arbeitsplätze und seinen Einsatz für hohe Lebensmittelqualität durch den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch[7]
  • 2007: Entrepreneur des Jahres 2007 (Kategorie Handel)
  • 2006: Auszeichnung mit dem Branchen-Oscar Goldener Zuckerhut
  • 2005: Bio-Markt des Jahres in Gold und Silber
  • 2005: Wolfgang Gutberlet (Vorstandsvorsitzender der tegut…): Ökomanager des Jahres 2005, verliehen durch Capital und WWF
  • 2003: BestPersAward – 1. Platz – Sparte: Personalführung
  • 2003: Tegut-Tochter Rhöngut: Innovationspreis für Technologie und Verfahren
  • 2003: Tegut-Tochter tegut…bankett bekommt vom Party Service Bund Deutschland e. V. „Drei Sterne“ für vorbildliche Event- und Veranstaltungsausrichtung in den Kategorien Planung, Dekoration, Menü- und Speisenaufbau, Service und Geschmack.
  • 2001: Deutscher Frucht-Preis-Sieger

Langsam werden es immer weniger Geschäfte, in denen ich einkaufen kann. Mögen die Artikel bei Tegut noch so gut sein, die Filialen ansprechend aussehen, eine derartige Personalpolitik mag ich nicht unterstützen. Außerdem hatte ich ehrlich gehofft, mein Sohn könnte irgendwann von seinem Gehalt leben, sich eine eigene Wohnung und eventuell sogar eine Familie leisten. Aber dazu muß er dann wohl auswandern.


Freitag, 15. Oktober 2010

Herbstimpressionen

Manchmal gibt es anscheinend doch soetwas wie Gedankenübertragung. Ich habe ja schon mal geschrieben, daß ich meist tagsüber darüber nachdenke, was könnte ich denn in den Blog schreiben.

Heute drehte sich im Kopf alles um den Herbst. Wir hatten hier im Südwesten die ganze Woche so wunderbare Tage, daß sich dieses Thema geradezu aufdrängte.

Mein lieblingsherbstlied ist "Bunt sind schon die Wälder". Es entstand 1782 als "Herbstlied" getextet von Johann Gaudenz Salis-Seewis, 1799 entstand die Melodie, geschrieben von Johann Friedrich Reichardt. Erstmals gedruckt wurde das Lied im Vossischen Musenalmanach für 1799.


Bunt sind schon die Wälder,
Gelb die Stoppelfelder,
Und der Herbst beginnt.
Rote Blätter fallen,
Graue Nebel wallen,
Kühler weht der Wind.

Wie die volle Traube
Aus dem Rebenlaube
Purpurfarbig strahlt!
Am Geländer reifen
Pfirsiche, mit Streifen
Rot und weiß bemalt.

Flinke Träger springen,
Und die Mädchen singen,
Alles jubelt froh!
Bunte Bänder schweben
Zwischen hohen Reben
Auf dem Hut von Stroh.

Geige tönt und Flöte
Bei der Abendröte
Und im Mondesglanz;
Junge Winzerinnen
Winken und beginnen
Frohen Erntetanz.


Gedankenübertragung deshalb, weil mein Freund Micha eben ausgerechnet heute mich auf dieses Lied in youtube aufmerksam machte:




Mittwoch, 13. Oktober 2010

Dumm, aber auch entlarvend


"zu alt, geb. 61". Dumm, wenn ein Bewerber, in diesem Falle eine Bewerberin ihre Offerte mit dieser firmeninternen Bemerkung zurück erhält und ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.

Die Frau hat dagegen geklagt und es wurde ihr ein Schadensersatz zugesprochen, nachzulesen u. a. bei DNews.

Der Richter erklärte nach dem Termin, das wäre schon ein exotischer Fall, der Anwalt der Klägerin kam zu dem wohl zutreffenden Schluß, das gerade in diesem Bereich die Dunkelziffer sehr hoch wäre.

Klar, nicht jeder Personalsachbearbeiter, nicht jede Personalabteilung macht den Fehler des kleinen Zettelchens.

Das gesetzliche Rentenalter wurde im November 2006 von der damals regierenden schwarz-roten Koalition auf 67 Jahre gesetzt, und hier in diesem Fall ist eine Bewerberin mit 49 Jahren zu alt für eine Büroarbeit, die sicherlich geistige Frische, aber doch keine körperlichen Hochleistungen verlangt. Mit 49 aussortiert? Da stehen noch notwendige 17 einhalb Jahre Lebensarbeitszeit dagegen.

Natürlich ist es ein Einzelfall, der an die Öffentlichkeit gelangt, aber wenn neuerdings jeder von Fachkräftemangel quarkt, hochqualifierte Menschen ab 50 jedoch keine Chance auf dem 1. Arbeitsmarkt mehr haben, dann frage sicher nicht nur ich nach dem Sinn dieser Maßnahme und sicher nicht nur ich bezweifle, daß oben genannte Situation ein Einzelfall ist.

Bildnachweis: derateru, www.pixelio.de

Montag, 11. Oktober 2010

Proteste


100.000 (63.000 nach Angaben der Polizei) haben am Samstag wieder gegen das Durchpeitschen des Projektes Stuttgart 21 demonstriert.

Das ist gut, zeigt es doch, das selbst in der BRD die Schmerzgrenze dessen, was die Bevölkerung sich von in Regierungsverantwortung befindlichen Politkern bieten lassen müssen, erreicht ist.

Gleichzeitig gab es in Oldenburg eine bundesweite Demonstration gegen die Hartz-Gesetze, vornehmlich gegen Hartz IV bzw. für eine deutliche Erhöhung der Transfersätze nach SGB II, wie das wohl in etwas offiziell heißt.
Hier allerdings jagt die Teilnehmerzahl von 2 - 3.000 wohl keinem Politiker den Schreck in die Glieder, das klingt wenig nach heißem Herbst und es stellt sich die Frage, wieviel darf diese Regierung den Ärmsten der Gesellschaft noch zu schlucken geben, bis die, die noch Arbeit haben, merken, daß auch sie von diesen Gesetzen indirekt betroffen sind, sei es mit Lohndumping, sei es mit Praktikanten- statt Arbeitsplätzen usw. usf.




Samstag, 9. Oktober 2010

Zeitzeugnisse


Jetzt am Wochenende findet der 19. Parteitag der DKP in Frankfurt/Main statt. Eigentlich habe ich gegoogelt, um einige Anträge, eine Deligierte usw. zu finden, um vielleicht auch ein Gespür dafür zu bekommen, wohin die Reise der Deutschen Kommunistischen Partei geht.

Dabei fand ich eine Berichterstattung in der "Zeit" vom 3. Parteitag der DKP im November 1973.
Wenn auch der Beitrag verständlicherweise nicht gerade kommunistenfreundlkich ist, so hat es der Parteitag immerhin in die bürgerliche Presse geschafft:

"DKP-Parteitag

Proletarier im Luxushotel

Die Kommunisten beschließen den Ausbruch aus den Rathäusern/Von Hans Schueier

Die Alten beschwören ihn immer wieder: den Heros und Märtyrer der deutschen Kommunisten, Ernst „Teddy" Thälmann. Aber wenn sie Seinen Namen nennen, klingt es, als wünschten sie sich fort aus diesem Saal, aus den mit dicken Teppichen ausgelegten Foyers, weg vom sterilen Prunk des Hamburger Congress Centrums. Zu bürgerlich, zu elegant und wohlhabend nimmt sich der dritte Parteitag der DKP in seiner Nobelherberge neben Loew's Hotel Plaza am Dammtorbahnhof aus. Wie bescheiden dagegen die Erinnerungsstätte an Ernst Thälmann in der Tarpenbekstraße 65, der ehemaligen Ladenwohnung eines Schuhmachers, zu der mancher alte Kampfgenosse in den Kongreßpausen pilgert.


Mustergültige Ordnung, gepflegtes Essen, hervorragende Organisation, Weitläufigkeit bestimmen derweil die Tagung. Fernsehen, Rundfunk und Presse sind „akkreditiert" und werden mit den Texten der Begrüßungsansprachen von 23 Gastdelegationen synchron versorgt, hoch während die Redner sprechen. Draußen, in der Wandelhalle, wähnt man sich beim Treffen einer einflußreichen Mittelstandsvereinigung. Nur die jugendlichen Einweiser tragen lange Haare und abgewetzte Jeans. Der Parteitag wirkt eher wie eine Schaustellung materiellen Selbstbewußtseins: „Seht, wir sind auch wer!" denn wie eine machtvolle Demonstration der seit nunmehr fünf Jahren unter neuer Fahne und altem Bekenntnis geeinten Arbeiterklasse.


Max Reimann, Senior der Versammlung, ehemaliger Vorsitzender der KPD und DKP-„Ehrenpräsident", ergeht sich angesichts der Glückwünsche zum eben vollendeten 75. Lebensjahr in Erinnerungen. Ihn, den Soldaten des Ersten Weltkrieges, habe der Funkspruch Lenins „An alle — schließt Frieden!" zum Kommunisten gemacht. Er ruft die Kampfzeit der zwanziger Jahre ins Gedächtnis und verpflichtet die Partei auf Thälmanns Wort, „daß die positive Einstellung zur Sowjetunion das Kriterium jedes wirklichen Kommunisten ist". Da ist der Bezug zur Gegenwart hergestellt. Der Saal dröhnt unter minutenlangem, rhythmischem Applaus-


Er dröhnt noch einmal, als Reimaiin die seltsam anachronistische Forderung erhebt: „Das KPD-Verbot muß aufgehoben werden." Sie kehrt in den drei Tagen des Hamburger DKP-Festiväls mehrmals wieder, und immer ist es, als bräche eine alte Wunde auf, obgleich doch die bundesdeutschen Kommunisten beim Gedanken an das Verbotsurteil von 1956 unter nichts anderem leiden können als an der Verschiebung der Buchstaben in ihrem Parteinamen. Sie sind inzwischen fest etabliert und in ihrem Bestand als Partei unangefochten; sie haben annähernd 40 000 Mitglieder — bei ständig steigendem Zugang; ihre Studentenorganisation, der Marxistische Studentenbund Spartakus hält mit 2000 Mitgliedern beherrschende Positionen im Verband deutscher Studentenschaften und den Studentenausschüssen der meisten Hochschulen. Die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) stellt mit 10 000 Angehörigen ein sicheres Nachwuchsreservoir. Wenn heute die. alte KPD wieder zugelassen würde —- was verfassungsrechtlich nicht möglich ist —, brauchten die „Deutschen Kommunisten" nur einmal mehr ihre Buchstabenfolge zu tauschen, um nächst der Kontinuität auch die Identität wiederherzustellen. Sie sind eben nicht nur Kommunisten, sie sind auch Romantiker.


Hoffnung und Stolz der Partei ist ihre neugewonnene Jugendlichkeit, von den 619 ordentlichen Delegierten und 253 Gastdelegierten des Parteitages noch um ein paar Jahre gegenüber dem Mitgliederdurchschnitt unterboten. Ein knappes Drittel ist unter 30, der Jüngste 17. Niemand weiß, wie viele Aktivisten und Mitläufer der Protestbewegung von 1968 inzwischen zu den orthodoxen Kommunisten in der DKP gestoßen sind. Doch sie müssen einen tiefen Wandel durchgemacht haben. Diese Parteijugend ist streng diszipliniert, linientreu wie die FDJ, eingeschworen auf den Apparat. Sie produziert Aktivität, aber keinerlei Originalität. Wenn es zwischen ihr und dem Establishment der Älteren Meinungsunterschiede oder gar Friktionen gäbe wie in allen anderen Parteien der Bundesrepublik — sie hätten in Hamburg zumindest andeutungsweise hervortreten müssen. Keine Spur davon. Die DKP hat keine Jusos, keine Judos und noch nicht einmal eine sanft aufbegehrende Junge Union. Ist sie darob glücklich zu schätzen? Sie ist es sicher unter dem Blickwinkel ihrer Gönner und Förderer aus der Sowjetunion und der DDR, die Linientreue von 17 bis 70 zur Bedingung der ideologischen und materiellen Subvention gemacht haben.


Kurt Hager, Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK der SED, — er leitet diesmal die DDR-Delegation, nicht mehr, wie noch 1971, der Propagandist Albert Norden —■ kann sich deshalb vollkommen zu Hause fühlen. Er ist zu Gast beim westdeutschen Ableger seiner Partei. Sie folgt ihm, und sie fragt nicht nach dem Gleichgewicht, als er betont auf die gewachsene militärische Stärke der sozialistischen Staatengemeinschaft verweist. Der Parteitag wird dennoch den Rückzug der Bundesrepublik aus der Nato fordern und den Verteidigungsminister Georg Leber zu den Sozialdemokraten zählen, mit denen nicht zu reden ist, weil er den Wehretat verwaltet.


Über die Ostverträge, „ihre strikte Einhaltung und volle Anwendung" im Sinne der Interpretation der DDR ist man sich einig, natürlich auch mit der sowjetischen Delegation. Hager bekommt stürmischen Beifall, als er in leichter Abwandlung Herbert Wehner zitiert: „Es empfiehlt sich doch für niemand, mit neuen Verträgen alte Politik zu machen."


Auf einem kommunistischen Parteitag gibt es naturgemäß keine Debatten, schon gar keine Kontroversen, sondern nur „Diskussionsbeiträge". Einige sind dennoch interessant, fast alle weisen auf die innenpolitischen Zielund Schwerpunkte der künftigen Parteiarbeit hin: Es gilt, die Basis in den Gemeinden und Betrieben zu verbreitern und die Aktionseinheit mit Sozialdemokraten und selbst „christlichen Arbeitnehmern" überall herzustellen, wo dies möglich ist. Ein junger Genosse aus der niedersächsischen 3800-Seelen-Gemeinde Hardegseh am Rande des Solling belegt beispielhaft, was Kommunisten auf kommunaler Basis leisten können: Zum erstenmal seit über 20 Jahren hat seine DKP-Ortsgruppe die ganze Ortsjugend auf die Beine gebrächt, als es darum ging, gegen die. Errichtung eines exklusiven Reiterhotels an Stelle eines Jugenderholüngsheims auf dem Burggelände von Hardegsen zu demonstrieren. Der DKP-Kreisvorsitzende Manfred Dressel verweist auf den vielfältigen Nutzen der Beteiligung an Bürgerinitiativen: „Daß es sie gibt, ist ein Zeichen des schwindenden Vertrauens in die Parlamente." In Langwasser bei Nürnberg sei es ihm und seinen Leuten über eine Bürgerinitiative gelungen, den Bau eines Truppenübungsplatzes für die US-Armee zu verhindern, und zwar „unter offenem Auftreten als Kommunisten". Der CSU-Landrat habe geglaubt, die übrigen Bürger mit seinem demonstrativen Ausscheiden ebenfalls zum Abspringen bewegen zu können. „Aber sie blieben, weil sie wußten, daß wir angefangen hatten."

Legalität, Bekenntnis zur Partei und ihren Nahzielen ist überhaupt ein beherrschendes Motto. Der Nürnberger DKP-Stadtrat Stiefvater ergänzt seinen Genossen mit großstädtischer Erfahrung: „Wir haben uns intensiv um die in Nürnberg fehlenden 24 000 Kindergartenplätze gekümmert. Bald sprach die ganze Stadt von uns als der Kindergartenpartei. Das ist gut so."


■ Die DKP will dennoch keine Rathauspartei bleiben, obgleich sie bisher nur in Kommunalparlamenten vertreten ist. Sie wird sich an den Landtagswahlen des nächsten Jahres beteiligen, und sie wird auch außerparlamentarisch alles tun, um sich gebührend in Szene zu setzen. Ab sofort kann jeder der drei Millionen Gastarbeiter Mitglied werden. Neben der SDAJ wird es eine bundesweite Kinderorganisation geben. Kein wilder Streik mehr ohne DKP. Aktionseinheit mit sozialdemokratischen Arbeitnehmern innerhalb und außerhalb der Betriebe ungeachtet aller Abgrenzungsbeschlüsse der SPD. Die Umarmungsstrategie ist den Kommunisten ein und alles. Sie gilt freilich nur für den gemeinsamen Kampf gegen den „staatsmonopolistischen Kapitalismus"; auf ideologischem Gebiet gibt es keine Konzessionen. Da wird sogar Bundeskanzler Willy Brandt wie ein Kartenkönig in zwei Hälften geteilt: der „gute" Ostpolitiker auf der einen, der Büttel des Monopolkapitals auf der anderen Seite. DKP- Vorstandsmitglied Robert Steigerwald sagt der SPD, was die Kommunisten vom „demokratischen Sozialismus" halten: Ein „stinkender Kadaver ... alt gewordene Huren, als frische, neue Schönheiten auf den Strich geschickt".


So klar wie der Kurs der DKP ist das Abstimmungsergebnis des Hamburger Parteitages bei der Neuwahl ihres Vorsitzenden und des Vorstandes. Kurt Bachmann (64), neben Max Reimann einer der letzten der alten Garde — er hat für seine Überzeugung in Buchenwald gelitten und seine erste Frau in Auschwitz verloren —, räumte den ersten Platz für seinen in Moskau zum Volkswirt ausgebildeten bisherigen Stellvertreter Herbert Mies (ohne Gegenstimme). Mies war schon Funktionär der Nachkriegs-KPD. Neuer Stellvertreter ist der ehemalige FDJ-Funktionär Hermann Gautier. Beide gewährleisten strikten Kurs im Kielwasser der SED. Von den 78 Mitgliedern des neu gewählten Parteivorstandes erhielt keines weniger als 604 von 608 abgegebenen gültigen Stimmen."

Aus: "Die Zeit" 09.11.1973 von Hans Schueier


Es wird interessant sein, am Montag zu erkunden, wie die Berichterstattung der bürgerlichen Presse in diesem Jahr aussieht.


Mittwoch, 6. Oktober 2010

Morgen wäre Feiertag,


der 61. Jahrestag der DDR, wenn....ja wenn.

Den ganzen Tag überlege ich schon, was könntest Du schreiben, was wäre neu, was steht hier zu Deiner Heimat noch nicht drin. Ob es neu ist, weiß ich gar nicht, viele Blogeinträge habe ich in den vergangenen Jahren zu diesem Thema schon geschrieben.

Oft denke ich, ich gehöre zu der Generation, die alle Vorzüge der DDR genießen durfte. Geboren 1961, habe ich die Zeit bis zur Schule tagsüber in Kinderkrippe und Kindergarten verbracht. Es gab wohl sogar eine Zeit, da war ich in einer kirchlichen Wochenkrippe, aber dies ist keine Erinnerung, das weiß ich nur aus Erzählungen.

1968 wurde ich eingeschult und habe eine völlig normale Schullaufbahn hinter mich gebracht, 1985 nach erfolgreichem Studium durfte ich mich Dipl.-Ingenieur nennen.
Dazwischen die Kindheitserlebnisse, die man eben so hatte während dieser Zeit, auch die, daß mal an einem Morgen in der Klasse ein Platz freiblieb und Wochen später ein Brief aus Westberlin eintrudelte.

Schulspeisung und Milchversorgung war etwas ganz Normales und auch wenn logischerweise das Essen nicht immer und jedem schmeckte, es war eine Errungenschaft, von der die BRD heute noch träumt. Achso, das Schulessen kostete während meiner gesamten Schulzeit 0,55 M. Der Viertelliter Milch 0,20 M, der Trinkkakao 0,35 M. Später wurde die Auswahl um Fruchtmilch und H-Vanille und H-Kakao-Milch erweitert.

Ganz am Anfang meiner Erinnerungen gingen Mutter und Vater noch jeden 2. Samstag arbeiten, später aber wartete schon das Mittagessen auf uns Kinder, wenn wir sonnabends um 12.00 Uhr von der Schule kamen, die Eltern hatten die 42,75-Stunden-Woche. Jedes Jahr Urlaub innerhalb der DDR - eine Familie mit 3 Kindern, jedes Jahr, so wir denn wollten, 3 Wochen Ferienlager.

Vieles habe ich von Anfang an kennengelernt, nach der Heirat den Ehekredit, selbst die spätere Erhöhung von 5.000 auf 7.000 Mark. Just 4 Wochen vor der Geburt meiner Tochter wurde auf dem X. Parteitag beschlossen, daß es das bezahlte Babyjahr schon ab dem 1. Kind gibt. und daß nach Wiedergebinn der Arbeit Mütter bereits mit einem Kind die 40-Stunden-Woche bekamen. Nach der Geburt des zweiten Kindes sogar der Erstbezug einer 3-Raum-Neubauwohnung, deren Miete ca. ein Zehntel meines Nettogehaltes ausmachte.

Auch wenn morgen kein Feiertag ist und dieser Eintrag vor Nostalgie nur so strotzt, kann ich für mich sagen, ich schätze mich glücklich, 28 Jahre lang im ersten Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschen Boden gelebt zu haben. Ein kleines, unendlich kleines Rädchen im Lauf der Geschichte bin ich und ich durfte eine Zeit dieser 40 Jahres meines Staates erleben.

PS.: Der Ehekredit wurde zinslos vergeben und bei der Geburt von Kindern 1.000, 1.500 Mark und beim 3. Kind gar die gesamte Restschuld erlassen.

Bildnachweis: Prager Straße in meiner Lieblingsstadt Dresden zur DDR-Zeiten, danke Nadja


Sonntag, 3. Oktober 2010

Zucker und Salz


Meine erste Erinnerung an Kuba hängt mit dem Buchtitel rechts zusammen. In der zweiten Klasse war es wohl das erste Buch, daß wir im Deutschunterricht durchgenommen haben. Da ich ein Bild von "Zucker und Salz" bereits vor einigen Tagen hier reingestellte, habe ich jetzt bei meinem Bericht über die Veranstaltung eben für "Camilo" entschieden, zumal das Bild eine der ersten Aufgaben nach dem Sieg der Revolution 1959 dokumentiert - die Alphabetisierung.

Seit 20 Jahren erfährt man in deutschen Medien wenig über Kuba, eine rühmliche Ausnahme bildet da die Junge Welt, ansonsten jedoch liest man wenig und wenn, sind es negative Schlagzeilen.

Dieser wunderbare Film (obwohl es in der technischen Ausführung sicher Mängel gibt) bringt uns vier Frauen, vier Freundinnen nahe, die 1960 in die Sierra Maestra gingen, um eben jene Aufgabe der Alphabetisierung in Angriff zu nehmen.

Der Film erzählt von der Geschichte der Freundschaft, eine Freundschaft, in der man auch das Salz miteinander essen kann und nicht nur den Zucker, die in eben der Sierra Maestra begann und die bis heute anhält.

Jedem, der sich für die jüngere Geschichte Kubas, für die Revolution interessiert, kann ich diesen kurzen, aber intensiven Film nur empfehlen.
Morgen wird er in Freiburg gezeigt, am 25. Oktober sind Film und zwei der vier Akteurinnen sowie Tobias Kriele in München.



In Mainz waren ca. 150 Menschen bei der Veranstaltung. Nach dem Film standen Maria (Angela) und Elena den Besuchern Rede und Antwort. Fragen kamen zur doppelten Währung, zur Solidarität der DDR, zu den jetzigen Privatisierungen und natürlich zum Gebahren der USA.
Von daher ein Dank an Filmer und Organisatoren dieser Veranstaltung.



Freitag, 1. Oktober 2010

Der Staat schlägt zu


Eigentlich wollte ich ja nicht gleich wieder mein "Kleines Politisches Wörterbuch" aus dem Schrank holen.

Die Geschehnisse gestern in Stuttgart ließen mich aber doch die Definition "Staat" nachschlagen:

"Staat - politisches Machtinstrument der ökonomisch herrschenden Klasse einer Gesellschaftsformation. Der Staat entstand mit dem privaten Eigentum an Produktionsmitteln und mit der Herausbildung von Klassen.

Er ist Produkt der Unversöhnlichkeit der Klassengegensätze. Er dient in der antagonistischen Klassengesellschaft der herrschenden Klasse als Machtinstrument zur Sicherung ihrer Produktionsbedingungen und zur Unterdrückung der ausgebeuteten Klassen.

Entscheidende Bestandteile der öffentlichen Gewalt des Staates sind Armee, Polizei, Haftanstalten, Gerichte sowie gesetzgebende Organe, Regierung und Verwaltungsapparat; im weiteren Sinne auch Parteien der herrschenden Klasse, militärische Organisationen, Kirche, Presse, Film, Rundfunk usw. Der gesamte Staatsapparat in Ausbeutergesellschaften dient der Sicherung der beiden Grundfunktionen des Staates.

Seine innere Funktion besteht im Schutz und in der Mehrung des Eigentums der ökonomisch herrschenden Klasse und in der Niederhaltung der ausgebeuteten Mehrheit. Das jeweilige Kräfteverhältnis im Innern bestimmt die bestimmt die Formen und die Methoden, deren sich die herrschende Klasse bei der Ausübung dieser Funktion bedient: verschleierte Gewalt oder offener Terror.

Die äußere Funktion besteht im Schutz vor Angriffen anderer Ausbeuterstaten und zugleich in der Ausdehnung des Machtbereiches der herrschenden Klasse durch Unterjochung fremder Territorien mit ökonomischen, politischen und militärischen Mitteln.....

Wichtigster Grundzug der Interpretation des Staates in der bürgerlichen Philosophie, Staats- und Rechtswissenschaft ist die Betonung seiner Klassenindifferenz und Versöhnungsfunktion, deren Schein durch die weitgehende Verselbständigung des Staates und seiner Funktionen hervorgebracht wird. Der Klassencharakter des Staates wird verleugnet und verschwiegen..."

aus: "Kleines politisches Wörterbuch", Dietz Verlag, Berlin 1967

Was gestern im Laufe des Tages in Stuttgart passiert ist, kann man wohl mit offenem Terror gleichsetzen. Die Polizeieinheiten sind mit brutaler Gewalt gegen die friedlichen Demonstranten vorgegangen und gerade in Stuttgart zieht das Argument des bösen schwarzen Blockes, der immer die hilflosen, armen Polizisten angreifen, nun wahrlich nicht. Hier demonstrieren Bürger einer Stadt gegen ein Wahnsinnsprojekt und zwar durch alle Schichten der Bevölkerung hindurch.

Nein, der Staat schlug in Ausübung seiner inneren Funktion zu! Hier geht es weder um Freiheit und Demokratie, sondern einzig und allein um die knallharte Durchsetzung der politischen und ökonomischen Interessen der Bourgeoisie.

Ich habe selten ein erbärmlicheres Auftreten eines politisch Verantwortlichen gesehen, als das des Innenministers von Baden-Württemberg Heribert Rech gestern abend im heutejournal erlebt.

Wasserwerfer gegen demonstrierende Schüler, das hätten sich Russland oder gar die "Achse des Bösen" Iran, Kuba und Nordkorea gestern leisten sollen.

Bildnachweis: dpa