Donnerstag, 4. Dezember 2008

4. Türchen: Der kleine Mann

Unter dem Weihnachtsbaum war ein sehr vortrefflicher kleiner Mann sichtbar geworden, der still und bescheiden dastand, als erwarte er ruhig, wenn die Reihe an ihn kommen werde. Gegen seinen Wuchs wäre freilich vieles einzuwenden gewesen, denn abgesehen davon, daß der etwas lange, starke Obeerkörper nicht so recht zu den kleinen dünnen Beinchen passen wollte, so schien auch der Kopf bei weitem zu groß.

Vieles machte die propere Kleidung gut, welche auf einen Mann von Geschmack und Bildung schließen ließ. Er trug nämlich ein sehr schönes, violettglänzendes Husarenjäckchen mit vielen weißen Schnüren und Knöpfchen, ebensolche Beinkleider und die schönsten Stiefelchen...
Sie saßen an den zierlichen Beinchen so knapp angegossen, als wären sie darauf gemalt. Komisch war es zwar, daß es zu dieser Kleidung sicch hinten einen Mantel, der recht aussah wie von Holz, angehängt und ein Bergmützchen aufgesetzt hatte.

Aus den hellgrünen, etwas zu großen Augen sprach nichts als Freundschaft und Wohlwollen. Es stand dem Manne gut, daß sich um sein Kinn ein wohlfrisierter Bart von weißer Baumwolle legte, denn um so mehr konnte man das süße Lächeln des hochroten Mundes bemerken.

"Ach!", rief Marie endlich aus, "ach, lieber Vater, wem gehört denn der allerliebste kleine Mann dort am Baum?" - "Der", antwortete der Vater, "soll für Euch alle tüchtig arbeiten, er soll die harten Nüsse aufbeißen..."

E.T.A. Hoffmann aus "Nußknacker und Mäusekönig"


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