Schon gestern erwähnte ich das "Protokoll des Vereinigungsparteitages der SPD und KPD", in dem alle Reden, die am 21. und 22. April 1946 im Admiralspalast gehalten wurden, dokumentiert sind.
Da immer wieder aus heutigen SPD-Kreisen von Zwangsvereinigung die Rede ist, interessieren mich naturgemäß die Rednerbeiträge, die von Genossen der SPD aus den Westzonen gehalten wurden.
Achtung sehr lang,was der Genosse Held aus Bayern zu sagen hatte:
"Herr General! Meine Herren Offiziere der Militärregierung! Genossinnen und Genossen! Wir sind aus Bayern trotz aller Schwierigkeiten, die uns bereitet wurden, hierher geeilt, um in diesem historischen Augenblick mit dabei zu sein, und wir grüßen euchvon ungezählten braven Parteigenossen der SPD, deren geheime Sehnsucht die baldige Einigung der Arbeiterklasse ist. Trotz aller Widerstände der Parteibürokratie haben wir am vorigen Sonntag in Erlangen auf dem Parteitag des Landesverbandes Bayern der SPD erreicht, daß wir hierher fahren durften.
Wir haben zwar keinen Auftrag, hier zu sprechen, wir sind nicht beauftragte Delegierte; man stellte es nach bürgerlichem Muster darauf ab, ob wir in einem solchen historischen Augenblick auch einen legitimen Auftrag haben; aber in revolutionären Zeiten - und ich kann Ihnen beweisen, wie revolutionär die Verhältnisse in Bayern sind - kommt es nicht auf einen legitimen Auftrag, sondern auf die Berufung an.
Wer von dem Atem der Revolution erfüllt ist, wer da will, daß aus dem Trümmerhaufen Deutschland ein neues Deutschland entstehe, der ist berufen, für dieses neue revolutionäre Deutschland zu sprechen. Das sage ich allen Schumacherlingen und Finsterlingen auf der anderen Seite.
Auf dem Parteitage in Erlangen am 13. und 14. April 1946 ist es geschehen, daß man die Einigung mit der KPD ablehnte. Aber es spielte ein sehr merkwürdiger Trick dabei eine Rolle: In einer geschlossenen Delegiertenversammlung am ersten Tage, am Sonnabend voriger Woche, hat ein Genosse bei einem Antrag des Bezirkes Franken zur Presse vorgeschlagen, die Abstimmung und die Erörterung der Einigungsfrage auf den nächsten Tag zu verschieben, und dieser Antrag ist einstimmig angenommen worden. Dann wurden dieser Genosse und andere Genossen dazu bestellt, in der Nähe von Erlangen in Versammlungen zu sprechen. Während die Genossen abwesend waren, hat man in geschlossener Sitzung die Einigung abgelehnt, so daß keinerlei Opposition zu Worte kommen konnte. Am nächsten Tage standen die Genossen, die zur Einigungsfrage sprechen wollten, vor fertigen Tatsachen. Es war so, daß die offene Versammlung an diesem Tage eine Diskussion nicht wünschte, weil die Zeit zu weit fortgeschritten war. Trotzdem hat man es nicht gewagt, auf dem Parteitag zu sagen: Wir lehnen die Einigung ohne weiteres ab. Man hat beschließen müssen, das endgültig die Mitglieder zu bestimmen haben.
In den Ortsgruppen wird die Entscheidung fallen, und da will ich euch eine Stichprobe darüber geben, wie die Lage ist. Auf dem Unterbezirksparteitag in Regensburg vom 1. März d. J. ist Genosse Buch vom Parteivorstand Zeuge einer denkwürdigen Sitzung gewesen. Er war in Frankfurt gewesen und kam mit den Beschlüssen von Frankfurt zurück, wo Dr. Schumacher es mit seinen Anhängern durchgesetzt hatte, daß erstens die Einigung abgelehnt wurde und zweitens jeder, der zum Parteitag fahren würde, ohne weiteres ausgeschlossen sei. Da hat ein Genosse in jener Unterbezirkstagung in Regensburg am 1. März 1946 den Antrag gestellt, weil er diese Resolution Schumachers nicht gutheißen konnte, sie abzulehnen, um den Weg zur weiteren Verhandlung nicht zu versperren. Einmütig wurde damals diese Resolution angenommen und es wurde einmütig beschlossen, daß über diese Resolution vom 1. März in den Ortsgruppen die Entscheidung getoffen werden sollte. Nur hat die Parteibürokratie diese Resolution nicht an die Ortsgruppen weitergegeben und sie ist nicht zur Abstimmung gekommen.
Gestern habe ich einen denkwürdigen Augenblick auf dem Parteitag der SPD erlebt. Es gab da einen Streit über die Parteistatuten, ob die Ortsgruppe das Fundament der Partei sein sollte oder die Betriebsgruppe. Ich wünschte - und ich habe das auch gestern gesagt - die Parteigenossen in Bayern hätten erlebt, daß wirkliche Demokratie auf dem Parteitag der SPD herrschte. Das war ein historischer Augenblick. Da konnte man sehen, daß in Berlin die Mitglieder nicht mundtod gemacht sind. Statt die Resolution vom 1. März in den Ortsgruppen zur Abstimmung zu bringen, hat man sich Herrn Dr. Schumacher nach Bayern verschrieben. Herr Dr. Schumacher hat vor allen Dingen damit einen Clou in seinen Reden zu erzielen versucht, daß er Angriffe auf eine Siegermacht erhob, indem er sagte: "Die Kommunistische Partei ist abhängig von einer Siegermacht, und die SPD steht unter dem Krallengriff der KPD". Nun, das ist sogar dem Dr. Hoegner zuviel gewesen. Auf dem Parteitag in Erlangen hat er erklärt - ich habe seine Rede in genauer Abschrift mitgebracht -: 'Ich halte es für äußerst gefährlich, bei unseren Auseinandersetzungen mit anderen deutschen Parteien die eine oder andere Siegermacht Siegermacht anzugreifen.. Sozialdemokraten dürfen sich dazu nicht hergeben. Der innerpolitische Kampf ist vielmehr auf der innerpolitischen Ebene auszugechten.'
Aber dann hat Genosse Dr. Hoegner etwas hinzugesetzt, was auch außenpolitisch ausgerichtet war. Der Kern seiner Ausführungen hat dazu geführt, daß mir Schuppen von den Augen gefallen sind und ich hierhereilen mußte, um für die Einheit der Arbeiterklasse einzutreten um Deutschland willen.
Dr. Hoegner hat daran erinnert, daß manche europäische Staaten befürchten müßten, daß ein geschlossenes Deutschland wieder zur Herrschaft komme, daß die geschlossene Volkskraft Deutschlands, die in drei Kriegen über Europa hergefallen sei, im Ausland einen solchen Mißkredit genieße, daß man eine geschlossene Volkskraft Deutschlands vermeiden müsse. Daraus hat er entwickelt, deshalb seien die englischen Gewerkschaften für die Dezentralisierung der Gewerkschaften. Wie die Engländer darüber denken, das habt ihr, Genossen der SPD, vorgestern in der denkwürdigen Erklärung der vielen Labour-Abgeordneten und der vielen Gewerkschaftsführer auf dem Parteitag der SPD erlebt. Darum fordert Dr. Hoegner ein förderalistisches Deutschland, einen deutschen Bundesstaat, ja einen deutschen Staatenbund, wie es wortwörtlich hier in der 'Süddeutschen Zeitung', aber auch in einer Rede auf dem Erlanger Parteitag heißt.
Wißt Ihr, was das bedeutet?
Ein Aufgeben der großen Traditionen unserer Partei, ein Zurück in der gesamten geschichtlichen Entwicklung bis 1806 und noch früher.
Ich habe eben gesagt: Da fielen mir die Schuppen von den Augen. Man hat mit dem Erlanger Parteitag die Katze aus dem Sack gelassen. Man hat zwar erklärt, wir wollen ein freies, einheitliches Deutschland, aber hinzugesetzt, mit weitestgehenden Freiheiten für das Eigenleben der Länder. Das bedeutet Wiederholung der Zustände in Bayern, wie wir sie beim Emporkommen eines Adolf Hitlers hatten. Das bedeutet die Gefahr, daß ein Hitler-Epigone, ein kleiner Hitler, ein Demi-Hitler, ein Viertel-Hitler hernach in den Ländern geschützt wird und dem Reich Knüppel zwischen die Beine geworfen werden, wie wir es erlebt haben. Es bedeutet also einen Rückfall in die traurigste Vergangenheit der Weimarer Republik, wo die Reichsexekutive immer wieder versuchte, einen Staatenlosen außer Landes zu bringen, aber die Münchner Polizeibürokratie immer dazwischensprang und sagte: 'Den Mann rührt ihr nicht an, Adolf Hitler, Heil Hitler!'
Wir wissen ja, wieviel Heil das für das deutsche Volk gebracht hat. Nur ein einziger sprach auf dem Erlanger Parteitag gegen Hoegner. Er konnte sich aber gegen die Kreise, die hinter Hoegner stehen, nicht durchsetzen. Ich selbst habe hier vor Euch gesagt: Es sind mir die Augen von den Schuppen gefallen. Ich bin in der Einigungsfrage aus einem Saulus zu einem Paulus geworden. Habe ich vorher noch gezweifelt, so erkläre ich hiermit: Ich bekenne als Paulus, daß es ohne die Einheit Deutschlands, ohne die Einheit der Arbeiterklasse keine deutsche Zukunft gibt. Im Gegensatz zu den Tendenzen, ein aufgelockertes Deutschland zu schaffen, sage ich, ohne ein geschlossenes Deutschland gibt es keinen Wiederaufbau im sozialistischen Sinne. Ohne ein geschlossenes Deutschland gibt es keine Ausrottung von Kapitalismus, Militarismus und Nazismus. Ohne ein geschlossenes Deutschland gibt es keine einheitliche Meinung in den Kulturfragen, kein einheitliches Eintreten für die Gemeinschaftsschule. Ohne ein geschlossenes Deutschland gibt es am Ende wieder Hader und Zerwürfns, vor allem in konfessionellen Fragen, gibt es wieder das ganze Elend der Kleinstaaterei. Uns alle muß der Wille zur deutschen Einheit beseelen, zur deutschen Zukunft, der Wille zum Wiederaufbau Deutschlands aus dem Trümmerhaufen, zu einem sozilistischen Deutschland, in dem alle anpacken, alle für einen da sind, in dem gearbeitet wird am gemeinsamen Werke und jeder nach seinem Verdienst und der Bedeutung seiner Leistung für die Gesamtheit bewertet wird.
Dieses neue Deutschland muß getragen werden von den enschlossensten Kräften der deutschen Arbeiterschaft. Wo sind denn die entschlossenen Kerle. Vor vierzehn Tagen hatte ich ene Unterhaltung mit der Militärregierung in Bayern. Ich habe den Herren gesagt: Die ganze gegenwärtige deutsche Demokratie ist belämmert. Sie fragten: warum? Darauf habe ich geantwortet: Weil es keine Kerle gibt. Aber wir, in der geschlossenen einigen deutschen Arbeiterklasse, das sind Kerle!
Und nun erkläre ich den vielen Genossen da draußen, die nicht wissen, wohin sie gehören, die nicht wissen, ob dieser Parteitag, ob der gestrige Parteitag der SPD zu Recht bestehen: Hier ist meine Mitgliedskarte der SPD. Auf ihr steht 'Sozialdemokratische Partei Deutschlands'. Diese Mitgliedskarte haben wir von der Partei in Berlin, vom Zentralausschuß empfangen, und wir halten den Zentralausschuß auch für berechtigt, diesen Parteitag einzuberufen und auf Grund demokratischer Beschlüsse zu entscheiden. Wir als Demokraten haben uns dem Mehrheitsbeschluß, dem einstimmigen Beschluß des Parteitages zu unterwerfen.
Nun werden wir hier das historische Ereignis erleben, daß die Arbeiterklasse geeint sein wird. Aber wir müssen daran denken, daß auf der anderen Seite Leute herumlufen und immer wieder spalten, die die Spaltung zu verewigen trachten. Wie sollen wir sie überzeugen? Da sage ich, kein Bruderkampf, nur vorbildliches Wirken! Zeigt hier, wo ihr die Einheit der Arbeiterklasse schafft, was ihr leistet, zeigt, daß ihr Sozialisten seid, daß ihr mustergültig aufbaut, daß hier die Maschinen wieder gehen und daß von hier aus die Zonengrenzen fallen, damit ein einheitliches Deutschland entstehe und es all den Finsterlingen nicht mehr möglich ist, sich hinter den Zonengrenzen zu verkriechen und Spaltungspolitik zu treiben. Von eurer vorbildlichen Haltung, von eurer Demokratie, von eurem Sozialismus wird es abhängen, daß von unten auf in den Westzonen die Vereinigung zuerst in den Betrieben, dann in den Ortsgruppen und dann in dem ganzen Gebiet erfolgt.
Es lebe die eine einheitliche, freiheitliche deutsche Republik unter der Führung einer geeinten Arbeiterklasse!"
Quelle: Protokoll des Vereinigungsparteitages der SPD und KPD. Verlag JHW Dietz Nachf. Berlin 1946, S. 37 - 43
Da immer wieder aus heutigen SPD-Kreisen von Zwangsvereinigung die Rede ist, interessieren mich naturgemäß die Rednerbeiträge, die von Genossen der SPD aus den Westzonen gehalten wurden.
Achtung sehr lang,was der Genosse Held aus Bayern zu sagen hatte:
"Herr General! Meine Herren Offiziere der Militärregierung! Genossinnen und Genossen! Wir sind aus Bayern trotz aller Schwierigkeiten, die uns bereitet wurden, hierher geeilt, um in diesem historischen Augenblick mit dabei zu sein, und wir grüßen euchvon ungezählten braven Parteigenossen der SPD, deren geheime Sehnsucht die baldige Einigung der Arbeiterklasse ist. Trotz aller Widerstände der Parteibürokratie haben wir am vorigen Sonntag in Erlangen auf dem Parteitag des Landesverbandes Bayern der SPD erreicht, daß wir hierher fahren durften.
Wir haben zwar keinen Auftrag, hier zu sprechen, wir sind nicht beauftragte Delegierte; man stellte es nach bürgerlichem Muster darauf ab, ob wir in einem solchen historischen Augenblick auch einen legitimen Auftrag haben; aber in revolutionären Zeiten - und ich kann Ihnen beweisen, wie revolutionär die Verhältnisse in Bayern sind - kommt es nicht auf einen legitimen Auftrag, sondern auf die Berufung an.
Wer von dem Atem der Revolution erfüllt ist, wer da will, daß aus dem Trümmerhaufen Deutschland ein neues Deutschland entstehe, der ist berufen, für dieses neue revolutionäre Deutschland zu sprechen. Das sage ich allen Schumacherlingen und Finsterlingen auf der anderen Seite.
Auf dem Parteitage in Erlangen am 13. und 14. April 1946 ist es geschehen, daß man die Einigung mit der KPD ablehnte. Aber es spielte ein sehr merkwürdiger Trick dabei eine Rolle: In einer geschlossenen Delegiertenversammlung am ersten Tage, am Sonnabend voriger Woche, hat ein Genosse bei einem Antrag des Bezirkes Franken zur Presse vorgeschlagen, die Abstimmung und die Erörterung der Einigungsfrage auf den nächsten Tag zu verschieben, und dieser Antrag ist einstimmig angenommen worden. Dann wurden dieser Genosse und andere Genossen dazu bestellt, in der Nähe von Erlangen in Versammlungen zu sprechen. Während die Genossen abwesend waren, hat man in geschlossener Sitzung die Einigung abgelehnt, so daß keinerlei Opposition zu Worte kommen konnte. Am nächsten Tage standen die Genossen, die zur Einigungsfrage sprechen wollten, vor fertigen Tatsachen. Es war so, daß die offene Versammlung an diesem Tage eine Diskussion nicht wünschte, weil die Zeit zu weit fortgeschritten war. Trotzdem hat man es nicht gewagt, auf dem Parteitag zu sagen: Wir lehnen die Einigung ohne weiteres ab. Man hat beschließen müssen, das endgültig die Mitglieder zu bestimmen haben.
In den Ortsgruppen wird die Entscheidung fallen, und da will ich euch eine Stichprobe darüber geben, wie die Lage ist. Auf dem Unterbezirksparteitag in Regensburg vom 1. März d. J. ist Genosse Buch vom Parteivorstand Zeuge einer denkwürdigen Sitzung gewesen. Er war in Frankfurt gewesen und kam mit den Beschlüssen von Frankfurt zurück, wo Dr. Schumacher es mit seinen Anhängern durchgesetzt hatte, daß erstens die Einigung abgelehnt wurde und zweitens jeder, der zum Parteitag fahren würde, ohne weiteres ausgeschlossen sei. Da hat ein Genosse in jener Unterbezirkstagung in Regensburg am 1. März 1946 den Antrag gestellt, weil er diese Resolution Schumachers nicht gutheißen konnte, sie abzulehnen, um den Weg zur weiteren Verhandlung nicht zu versperren. Einmütig wurde damals diese Resolution angenommen und es wurde einmütig beschlossen, daß über diese Resolution vom 1. März in den Ortsgruppen die Entscheidung getoffen werden sollte. Nur hat die Parteibürokratie diese Resolution nicht an die Ortsgruppen weitergegeben und sie ist nicht zur Abstimmung gekommen.
Gestern habe ich einen denkwürdigen Augenblick auf dem Parteitag der SPD erlebt. Es gab da einen Streit über die Parteistatuten, ob die Ortsgruppe das Fundament der Partei sein sollte oder die Betriebsgruppe. Ich wünschte - und ich habe das auch gestern gesagt - die Parteigenossen in Bayern hätten erlebt, daß wirkliche Demokratie auf dem Parteitag der SPD herrschte. Das war ein historischer Augenblick. Da konnte man sehen, daß in Berlin die Mitglieder nicht mundtod gemacht sind. Statt die Resolution vom 1. März in den Ortsgruppen zur Abstimmung zu bringen, hat man sich Herrn Dr. Schumacher nach Bayern verschrieben. Herr Dr. Schumacher hat vor allen Dingen damit einen Clou in seinen Reden zu erzielen versucht, daß er Angriffe auf eine Siegermacht erhob, indem er sagte: "Die Kommunistische Partei ist abhängig von einer Siegermacht, und die SPD steht unter dem Krallengriff der KPD". Nun, das ist sogar dem Dr. Hoegner zuviel gewesen. Auf dem Parteitag in Erlangen hat er erklärt - ich habe seine Rede in genauer Abschrift mitgebracht -: 'Ich halte es für äußerst gefährlich, bei unseren Auseinandersetzungen mit anderen deutschen Parteien die eine oder andere Siegermacht Siegermacht anzugreifen.. Sozialdemokraten dürfen sich dazu nicht hergeben. Der innerpolitische Kampf ist vielmehr auf der innerpolitischen Ebene auszugechten.'
Aber dann hat Genosse Dr. Hoegner etwas hinzugesetzt, was auch außenpolitisch ausgerichtet war. Der Kern seiner Ausführungen hat dazu geführt, daß mir Schuppen von den Augen gefallen sind und ich hierhereilen mußte, um für die Einheit der Arbeiterklasse einzutreten um Deutschland willen.
Dr. Hoegner hat daran erinnert, daß manche europäische Staaten befürchten müßten, daß ein geschlossenes Deutschland wieder zur Herrschaft komme, daß die geschlossene Volkskraft Deutschlands, die in drei Kriegen über Europa hergefallen sei, im Ausland einen solchen Mißkredit genieße, daß man eine geschlossene Volkskraft Deutschlands vermeiden müsse. Daraus hat er entwickelt, deshalb seien die englischen Gewerkschaften für die Dezentralisierung der Gewerkschaften. Wie die Engländer darüber denken, das habt ihr, Genossen der SPD, vorgestern in der denkwürdigen Erklärung der vielen Labour-Abgeordneten und der vielen Gewerkschaftsführer auf dem Parteitag der SPD erlebt. Darum fordert Dr. Hoegner ein förderalistisches Deutschland, einen deutschen Bundesstaat, ja einen deutschen Staatenbund, wie es wortwörtlich hier in der 'Süddeutschen Zeitung', aber auch in einer Rede auf dem Erlanger Parteitag heißt.
Wißt Ihr, was das bedeutet?
Ein Aufgeben der großen Traditionen unserer Partei, ein Zurück in der gesamten geschichtlichen Entwicklung bis 1806 und noch früher.
Ich habe eben gesagt: Da fielen mir die Schuppen von den Augen. Man hat mit dem Erlanger Parteitag die Katze aus dem Sack gelassen. Man hat zwar erklärt, wir wollen ein freies, einheitliches Deutschland, aber hinzugesetzt, mit weitestgehenden Freiheiten für das Eigenleben der Länder. Das bedeutet Wiederholung der Zustände in Bayern, wie wir sie beim Emporkommen eines Adolf Hitlers hatten. Das bedeutet die Gefahr, daß ein Hitler-Epigone, ein kleiner Hitler, ein Demi-Hitler, ein Viertel-Hitler hernach in den Ländern geschützt wird und dem Reich Knüppel zwischen die Beine geworfen werden, wie wir es erlebt haben. Es bedeutet also einen Rückfall in die traurigste Vergangenheit der Weimarer Republik, wo die Reichsexekutive immer wieder versuchte, einen Staatenlosen außer Landes zu bringen, aber die Münchner Polizeibürokratie immer dazwischensprang und sagte: 'Den Mann rührt ihr nicht an, Adolf Hitler, Heil Hitler!'
Wir wissen ja, wieviel Heil das für das deutsche Volk gebracht hat. Nur ein einziger sprach auf dem Erlanger Parteitag gegen Hoegner. Er konnte sich aber gegen die Kreise, die hinter Hoegner stehen, nicht durchsetzen. Ich selbst habe hier vor Euch gesagt: Es sind mir die Augen von den Schuppen gefallen. Ich bin in der Einigungsfrage aus einem Saulus zu einem Paulus geworden. Habe ich vorher noch gezweifelt, so erkläre ich hiermit: Ich bekenne als Paulus, daß es ohne die Einheit Deutschlands, ohne die Einheit der Arbeiterklasse keine deutsche Zukunft gibt. Im Gegensatz zu den Tendenzen, ein aufgelockertes Deutschland zu schaffen, sage ich, ohne ein geschlossenes Deutschland gibt es keinen Wiederaufbau im sozialistischen Sinne. Ohne ein geschlossenes Deutschland gibt es keine Ausrottung von Kapitalismus, Militarismus und Nazismus. Ohne ein geschlossenes Deutschland gibt es keine einheitliche Meinung in den Kulturfragen, kein einheitliches Eintreten für die Gemeinschaftsschule. Ohne ein geschlossenes Deutschland gibt es am Ende wieder Hader und Zerwürfns, vor allem in konfessionellen Fragen, gibt es wieder das ganze Elend der Kleinstaaterei. Uns alle muß der Wille zur deutschen Einheit beseelen, zur deutschen Zukunft, der Wille zum Wiederaufbau Deutschlands aus dem Trümmerhaufen, zu einem sozilistischen Deutschland, in dem alle anpacken, alle für einen da sind, in dem gearbeitet wird am gemeinsamen Werke und jeder nach seinem Verdienst und der Bedeutung seiner Leistung für die Gesamtheit bewertet wird.
Dieses neue Deutschland muß getragen werden von den enschlossensten Kräften der deutschen Arbeiterschaft. Wo sind denn die entschlossenen Kerle. Vor vierzehn Tagen hatte ich ene Unterhaltung mit der Militärregierung in Bayern. Ich habe den Herren gesagt: Die ganze gegenwärtige deutsche Demokratie ist belämmert. Sie fragten: warum? Darauf habe ich geantwortet: Weil es keine Kerle gibt. Aber wir, in der geschlossenen einigen deutschen Arbeiterklasse, das sind Kerle!
Und nun erkläre ich den vielen Genossen da draußen, die nicht wissen, wohin sie gehören, die nicht wissen, ob dieser Parteitag, ob der gestrige Parteitag der SPD zu Recht bestehen: Hier ist meine Mitgliedskarte der SPD. Auf ihr steht 'Sozialdemokratische Partei Deutschlands'. Diese Mitgliedskarte haben wir von der Partei in Berlin, vom Zentralausschuß empfangen, und wir halten den Zentralausschuß auch für berechtigt, diesen Parteitag einzuberufen und auf Grund demokratischer Beschlüsse zu entscheiden. Wir als Demokraten haben uns dem Mehrheitsbeschluß, dem einstimmigen Beschluß des Parteitages zu unterwerfen.
Nun werden wir hier das historische Ereignis erleben, daß die Arbeiterklasse geeint sein wird. Aber wir müssen daran denken, daß auf der anderen Seite Leute herumlufen und immer wieder spalten, die die Spaltung zu verewigen trachten. Wie sollen wir sie überzeugen? Da sage ich, kein Bruderkampf, nur vorbildliches Wirken! Zeigt hier, wo ihr die Einheit der Arbeiterklasse schafft, was ihr leistet, zeigt, daß ihr Sozialisten seid, daß ihr mustergültig aufbaut, daß hier die Maschinen wieder gehen und daß von hier aus die Zonengrenzen fallen, damit ein einheitliches Deutschland entstehe und es all den Finsterlingen nicht mehr möglich ist, sich hinter den Zonengrenzen zu verkriechen und Spaltungspolitik zu treiben. Von eurer vorbildlichen Haltung, von eurer Demokratie, von eurem Sozialismus wird es abhängen, daß von unten auf in den Westzonen die Vereinigung zuerst in den Betrieben, dann in den Ortsgruppen und dann in dem ganzen Gebiet erfolgt.
Es lebe die eine einheitliche, freiheitliche deutsche Republik unter der Führung einer geeinten Arbeiterklasse!"
Quelle: Protokoll des Vereinigungsparteitages der SPD und KPD. Verlag JHW Dietz Nachf. Berlin 1946, S. 37 - 43
Meine liebe Kampfgenossin Jette,
AntwortenLöschenAusgezeichnet, Dir gebührt großen Dank.
Sollten sich insbesondere die angemeldete kommunistische „Diskussionsteilnehmer“ sich diese Beiträge zu Herz und Gemüt nehmen!
Es erinnert mich an DAS Buch das auch meine liebe Eltern sehr hoch einschätzen „Brüder in eins nun die Hände“ von Otto BUCHWITZ – Ehrenbürger der Stadt DRESDEN! –, und ich finde meine Ansicht, meine Überzeugung, bestätigt daß eine künftige revolutionäre Arbeiterpartei in Deutschland nur eine Sozialistische Einheitspartei Deutschlands sein kann, sein muß.
Ich beabsichtige zum Thema auch ein Originaldokument zu publizieren (sobald wir zurück sind, voraussichtlich am Mittwoch) .
Grüße Berlin von mir.
Nochmals vielen Dank und ganz liebe Grüße,
Deine Freundin
Nadja
In dieser Doku steht alles Wichtige zum Thema drin!!!
AntwortenLöschen"Die Vereinigung von KPD und SPD zur SED" in Bildern und Dokumenten
Dietz Verlag Berlin 1976
KG red falk