Freitag, 11. Juni 2010

Am 11. Juni

vor 65 Jahren veröffentlichte die KPD ihren Aufruf an das deutsche Volk. Einen Tag zuvor am 10. Juni 1945 wurde mit dem Befehl Nr. 2 der SMAD (Sowjetische Militärverwaltung in Deutschland) die Bildung und Tätigkeit antifaschistisch-demokratischer Parteien und freier Gewerkschaften auf dem Territorium der sowjetischen Besatzungszone gestattet.

„Schaffendes Volk in Stadt und Land! Männer und Frauen! Deutsche Jugend!". In diesem Aufruf weist die KPD dem deutschen Volk den Weg aus der Katastrophe und zur Lösung der nationalen Lebensfragen.

Sie zieht darin die Lehren aus dem Kampf der Arbeiterklasse gegen Imperialismus, Faschismus und Krieg und aus der nationalen Katastrophe. Mit dem Aufruf entwickelt die KPD die Politik der Brüsseler Konferenz (3.—15. Okt. 1935), der Bemer Konferenz (30. Jan.-l. Febr. 1939) und des NKFD (12./13. Juli 1943) konsequent weiter.

In schöpferischer Anwendung des Marxismus-Leninismus auf die Entwicklungsbedingungen in Deutschland stellt sie die Aufgabe, die bürgerlich-demokratische Pie-volution unter Führung der Arbeiterklasse zu Ende zu führen, Im­perialismus und Militarismus zu vernichten und eine antifaschistisch­demokratische Ordnung, eine parlamentarisch-demokratische Republik mit allen Rechten für das Volk in ganz Deutschland zu errichten.

Die wichtigsten Forderungen des Aufrufes sind folgende: vollständige Li­quidierung der Überreste des Hitlerregimes und der Hitlerpartei; Bestrafung der Naziaktivisten und Kriegsverbrecher; Kampf gegen Hunger, Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit; Normalisierung des Lebens, Wiederaufnahme der Produktion und Wiederaufbau der zer­störten Wohnungen, Betriebe und Schulen; Herstellung der demo­kratischen Rechte und Freiheiten des Volkes; Säuberung des Erziehungs- und Bildungswesens von faschistischen u. a. reaktionären Einflüssen; Pflege eines demokratischen, fortschrittlichen und freiheitlichen Geistes in allen Schulen und Lehranstalten; Wieder­aufrichtung der auf demokratischer Grundlage beruhenden Selbst­verwaltungsorgane in den Gemeinden, Kreisen, Bezirken, Provin­zen und Ländern; Schutz der Werktätigen gegen Unternehmerwill­kür und unbotmäßige Ausbeutung; Enteignung des gesamten Ver­mögens der Nazibonzen und Kriegsverbrecher sowie Übergabe dieses Vermögens in die Hände des Volkes; Liquidierung des Großgrund­besitzes, der großen Güter der Junker, Grafen und Fürsten und Über­gabe ihres gesamten Grund und Bodens sowie des lebenden und toten Inventars an die Provinzial- bzw. Landesverwaltungen zur Aufteilung an die durch den Krieg ruinierten und besitzlos gewordenen Bauerndiese Maßnahmen sollen nicht den Grundbesitz und die Wirtschaft der Großbauern berühren; Übergabe aller lebenswichtigen öffent­lichen Betriebe, u. a. des Verkehrs, der Wasser-, Gas" und Elektrizitäts­werke, in die Hände der Selbstverwaltungsorgane; friedliches und gut­nachbarliches Zusammenleben mit anderen Völkern; Anerkennung der Pflicht zur Wiedergutmachung für die durch die Hitleraggression den anderen Völkern zugefügten Schäden und gerechte Verteilung der sich daraus ergebenden Lasten.

Das ZK der KPD ruft zum gemeinsamen Handeln von Kommunisten und Sozialdemokraten auf und schlägt eine Aktionsgemeinschaft von KPD und SPD sowie die Bildung eines Blocks der antifaschistisch-demokratischen Parteien vor. Der Aufruf enthält ein für alle an der demokratischen Wiedergeburt Deutschlands interessierten Schichten der Bevölkerung annehmbares Programm, das sich gegen die Machtgrundlagen des aggressiven Monopolkapitals und der militaristischen Junkerkaste richtet. In Übereinstimmung mit dem Politbüro des ZK der KPdSU(B) erklärt die Parteiführung der KPD, daß es falsch sei, „Deutschland das Sowjetsystem aufzuzwingen".

Ent­sprechend den konkreten Bedingungen verfolgt die KPD das Ziel, ganz Deutschland auf den Weg einer friedlichen, demokratischen Ent­wicklung zu führen und die notwendige Auseinandersetzung zwischen den friedliebenden Kräften des deutschen Volkes und der imperialisti­schen Reaktion im offenen, demokratischen Kampf in ganz Deutsch­land auszutragen; denn nur durch den Kampf um die konsequente Demokratisierung können die Voraussetzungen für die Verwirklichung der sozialistischen Ziele geschaffen werden.

Der Aufruf ist im Namen des ZK der KPD unterzeichnet von A. Ackermann, Martha Arendsee, J. R. Becher, F. Dahlem, Irene Gärtner (Elli Schmidt), O. Geschke, E. Hoemle, H. Jendretzky, B. Koenen, H. Mahle, H. Matern, M. Niederkirchner, W. Pieck, G. Sobottka, W. Ulbricht und O. Winzer.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Liebe Kampfgenossin Jette,
Der berühmte bürgerliche Historiker Fustel de Coulange schrieb: “Am Anfang war das Dokument”. Dir gebührt Dank fürs Bringen dieses Dokumentes. Mögen recht viele Leser es ernsthaft zur Kenntnis nehmen!
„Wenn eines Tages…“
Ganz liebe Grüße,
Deine Nadja