Dienstag, 17. Februar 2009

O Tempora, O Mores


Ja, es gibt Tage, da wünsche ich mir den Mangel zurück, heute ist es mal der Mangel an Fernsehsendern.

DDR1, DDR2, ein Blick in die Zeitung, 1 Minute später wußte man: heute kommt nichts. Jetzt muß ich erst auswendig lernen, wann kommt DSDS, wann tauschen wir Frauen oder Heimatländer, welche Gaststätte hats wieder mal nicht drauf oder suchen wir gerade ein Topmodel...tausend Gründe, den Fernseher gar nicht erst einzuschalten. Da machts doch ein Sender auch oder?

Als wäre das nicht schon genug Schund, aber bitte, dafür muß ich keine Gebühren zahlen, hat sich das ZDF jetzt den Knüller schlechthin ausgedacht. Ich mußte erstmal aufs Datum gucken, aber nein heute ist nicht der 1. April, also ist die Chose wohl ernst gemeint.

Das neue Sendeformat heißt: "Ich kann Kanzler". Über das Warum schreibt das ZDF:

"Sie sind enttäuscht von den deutschen Politikern? Ihnen kommt es vor, als würden Sie nur noch Worthülsen hören? Sie würden gerne selber etwas verändern? Kein Problem! Das ZDF sucht Talente, unverbrauchte Gesichter mit frischen Ideen. Junge Menschen, die gerne etwas politisch verändern wollen. Denn es ist an der Zeit, gegen Politikverdrossenheit vorzugehen".

Allein bei dem Titel stellen sich mir alle Haare zu Berge und ich kann nur hoffen, daß die Kandidaten über bessere Muttersprachenkenntnisse als die Macher der Sendung verfügen.

Weiter heißt es:

"Dabei ist die Sendung keine Castingshow für junge Polit-Stars, vielmehr sollen junge Leute mittels dieser Sendung im Superwahljahr 2009 für Politik interessiert und gewonnen werden, und zeigen, dass Politik auch Spaß machen kann, frei nach dem Motto Obamas: Yes I can."

Ganz davon abgesehen, das Barack erst mal beweisen muß, ob er wirklich kann, sind Worthülsen und eine solche ist es, kaum angebracht, Jugendliche und junge Erwachsene anzuziehen, es sei denn, es wird doch eine Castingshow.

Nun ist das Ganze ja nicht völlig auf deutschem Mist gewachsen, es gibt das gleiche Format bereits preisgekrönt und erfolgreich in Kanada. Wobei preisgekrönt nicht unbedingt mit gut übersetzt werden sollte. Schließlich hat auch "Deutschland sucht den Superstar" sehr zum Ärger von Marcel Reich-Ranicki einen Fernsehpreis erhalten.

3 Kommentare:

der armin hat gesagt…

Bei der Titelwahl haben die Verantwortlichen wohl die letzten Pisa-Studien zu Rate gezogen und sich gesagt, anders versteht's die angesprochene Zielgruppe eh nicht. Oder haben die nur die Bezeichnung "Öffentlich rechtliche ANSTALT" völlig mißverstanden?

Der Kampf um Einschaltquoten läßt das Niveau der beiden öffentlich rechtlichen doch schon seit geraumer Zeit in Richtung privater Trash-Formate abrutschen.

Adererseits, es könnte ja auch ein Testlauf für künftige Wahlen in Deutschland sein. Die Kandidaten kommen für 3 Monate ins "Big-Brother-Haus" und am Wahltag entscheidet das Publikum in einer LIVE-Show per TED über den Wahlsieger. Das wäs doch - oder?

Nein, mal ganz im Ernst. Wer in diesem Land etwas verändern will, sollte sich seine Schuhe schnappen, auf die Straße gehen und mit den Füßen abstimmen!

Anonym hat gesagt…

Herrlicher Beitrag. Seit langem diskutiere ich mit meiner Frau darüber, den Fernsehapparat gänzlich abzuschaffen. Leider ist er noch relativ neu. Sollte die Kiste eines Tages den Geist aufgeben, melde ich uns sofort ab. Das Geld für diesen Mist kann man anderswo gebrauchen!

Jeanette hat gesagt…

Tja, Frank, meine Schwester hat tatsächlich keinen Fernseher und ich glaube, das ist nicht die schlechteste Entscheidung. Wenn ich nicht so ein Sportguckfan wäre, bräuchte ich das Ding auch nicht.