Dienstag, 27. Januar 2009

Rechsstaat? Für wen?



Jeden Tag höre bzw. lese ich in irgendeinem wichtigen bzw. unwichtigen Zusammenhang, ich lebe in einem Rechtsstaat.

In Wikipedia fand ich folgende Definition:

„Ein Rechtsstaat ist ein Staat, in dem die Staatsgewalten an eine in ihren Grundzügen unabänderliche und im Ganzen auf Dauer angelegte objektive Wert- und Rechtsordnung gebunden ist. Die Gesetzesbindung wird durch unabhängige Gerichte gesichert.

Im Gegensatz zum absolutistischen Staat wird die Macht des Staates umfassend durch Gesetze determiniert, um die Bürger vor Willkür zu schützen (formeller Rechtsstaatsbegriff). Ein Rechtsstaat moderner Prägung ist darüber hinaus auf die Herstellung und Erhaltung eines materiell gerechten Zustands gerichtet (materieller Rechtsstaatsbegriff). Objektive Wertentscheidungen haben – anders als subjektive Rechte des Einzelnen – die Funktion einer Begrenzung der Gesetzgebung durch festgeschriebene Prinzipien.“

Aufgewachsen mit sozialistischem Recht, das einfach und für jeden verständlich war, ist mein Rechtsverständnis in vielen Fällen ein völlig anderes, als das den Rechtsstaat BRD auszeichnende. Und in 20 Jahren habe ich vor allem eines gelernt, Recht hat mit Gerechtigkeit nichts zu tun.

Gestern im Report München (21.45 Uhr in der ARD) gab es wieder mal einen Einblick in den kapitalistischen Rechtsstaat BRD. „Arbeitnehmer“ können auf 3 Monate Lohnrückzahlung verklagt werden, wenn sie vorher verspätete Lohnzahlungen akzeptiert haben. Mit dem Moment der verspäteten Lohnzahlung hätten sie wissen müssen, dass ihr Betrieb von Insolvenz bedroht ist. Das ist bundesdeutsches Insolvenzrecht.


Und nach deutschem Insolvenzrecht werden die Beschäftigten in diesem Falle zu Gläubigern, die nicht besser gestellt werden dürfen als andere Gläubiger.

Rechtsstaat? Das Gesetz wurde von einer Regierung erlassen, durch den Bundestag bestätigt und gilt nun. Nach Aussagen einer Betroffenen kam für sie eine Kündigung jedoch nicht in Frage, da sie vom Arbeitsamt die Auskunft erhielt, verspätete Lohnzahlungen sind kein berechtigter Kündigungsgrund. Diese Kündigung hätte also eine Zahlungssperre von Arbeitslosengeld verursacht. Geltendes Recht, aber keine Gerechtigkeit. Arbeiten muß also sein, Lohn annehmen darf der Beschäftigte aber nicht. Nicht in welcher Welt, sondern in welcher Gesellschaftsordnung leben wir hier eigentlich.

Der Rechtsstaat wird dann besonders pikant, wenn zum nahezu gleichen Zeitpunkt die Medien das Urteil im Zumwinkel-Prozeß verkünden. Ein bitterer Beigeschmack, daß vor dem Prozeß soviel getrickst wurde, daß es überhaupt zu einem Bewährungsstrafmaß kommen konnte…Rechtsstaat eben. Dieses Urteil wurde "Im Namen des Volkes" gesprochen.

Da frage ich mich immer wieder, wer legt eigentlich für wen fest, was Unrecht und was Recht ist und wer verbiegt sich dann noch für die Durchsetzung dieses „Rechts“.

Man möge es mir verzeihen, ich fühlte mich in der 40 Jahre bestehenden, seit 20 Jahren als Unrechtsstaat verschrieenen DDR gerechter aufgehoben und das ganz ohne Rechtsschutzversicherung.


Bildnachweis: Gerald Altmann, www.pixelio.de

1 Kommentar:

Blaue Kraehe hat gesagt…

Arbeitnehmer“ können auf 3 Monate Lohnrückzahlung verklagt werden, wenn sie vorher verspätete Lohnzahlungen akzeptiert haben. Mit dem Moment der verspäteten Lohnzahlung hätten sie wissen müssen, dass ihr Betrieb von Insolvenz bedroht ist.///

Das ist Wahnsinn! Ich kenne noch gleiche Situation, die unsere Familie vor 7 Jahren erlebte: mein Mann arbeitete in einer Firma, die zu Insolvenz ging. Und jeden Monat sammelten die Chefs die Leute und bitteten sie "ein bisschen zu warten mit Lohn, sie müssen doch verstehen, sonst geht ganzer Betrieb kaputt, und ihr alle seid arbeitslos, also ein bisschen Geduld". Und die Leute warteten. Das war so menschlich... so verständlich. Der Lohn kam sehr spät und reduziert. In 5-6 Monate war die Firma pleite. Letzter Lohn gab es gar nicht.
Also sollte er diese ganze 5 Monate auf Lohn auch ganz verzichten nach neue Regelung...
(die neue Stelle haben natürlich alle gesucht, das geht aber nicht so schnell).