Donnerstag, 6. August 2009

Kulturerinnerungen


Nachdem ich gestern im neuen Rotfuchs Archie gelesen habe, sind mir doch glatt meine schönsten Erlebnisse an die Veranstaltungen im Haus der Kultur und Bildung in Neubrandenburg eingefallen.

1988 habe ich in oben genannten Haus nach 2 Babyjahren (ohja, junge Frauen bekamen 100 % des Nettogehaltes, meist waren das sogar 3 oder 4 Mark mehr) als Sicherheitsinspektor angefangen. Zu der Zeit war man auch als Frau noch Sicherheitsinspektor, das IN wurde gespart, war Gleichberechtigung aufgrund des Alltages doch eh mehr oder weniger auf dem Vormarsch, da brauchte es keine äußerlichen Ausrufezeichen.

Jedenfalls durfte ich in meiner Funktion bei den Abendveranstaltungen auch als Leiter des Hauses auftreten und somit viele Künstler der DDR wahrhaftig kennenlernen. Zu dem Zeitpunkt war ich übrigens 27 Jahre alt, hatte ein Studium hinter mir und wurde an meinem Arbeitsplatz gefordert und gefördert.
Sehr gern erinnere ich mich an Olaf Berger, an eine Veranstaltung mit den Plattfööt oder eine Aufnahme der Fernsehsendung für "Drei reizende Schwestern". Es hatte schon etwas, Marianne Kiefer, Ingeborg Krabbe und Helga Göring persönlich kennenzulernen und es war etwas ungewohnt, ihnen dabei die Sicherheitsvorschriften des HKB näher zu bringen.

All das war einfach wunderschön und doch gibt es eine unangenehme Erinnerung, die sich auch nach ca. 21 Jahren nicht verklärt.

Es ging um eine Veranstaltung mit einem damals bekannten Künstler. Ich war ja noch ziemlich jung, die Person war irgendwie nicht mein Fall, ich fand ihn arrogant naja...aber ich dachte, vielleicht täuschst Du Dich und meldete mich freiwillig zum Abenddienst, um den denn nun mal persönlich gegenüber zu treten.
Noch heute bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich diese Veranstaltung Revue passieren lasse. Dazu muß man wissen, daß es in der Vorbereitung solcher Veranstaltungen immer zu einer technischen Besprechung kam. Brachte der Künstler seine Beleuchtung, seine Akkustik mit oder wurden derartige Leistungen vom Veranstalter gestellt. Je nachdem, war selbstverständlich auch die Abendbesetzung der Technikabteilung geregelt.

Nach einem Blick auf das Konzept stand fest, jener bekannte Sänger brachte alles mit, so gab es an jenem nur einen Techniker vom Dienst und noch einen zweiten Kollegen.

Die Veranstaltung sollte um 19.30 Uhr beginnen, gegen 18.30 Uhr trafen Künstler und Begleitpersonen ein und wollten mit unseren Technikern Licht- und Akkustikprobe machen. Licht- und Akkustikprobe? Mit unseren Technikern? Aber nicht mit meinen Kollegen. Auf dem Zettel stand, wird alles vom Künstler erledigt, also was solls.

Inzwischen füllte sich der Saal, natürlich waren alle 603 Plätze ausverkauft, wie gesagt, ich werde diesen Abend nie vergessen und ich stand da mit einerseits der Weigerung meiner Techniker zur Unterstützung und andererseits der Drohung des Sängers ohne unseren Ton und ohne Licht nicht aufzutreten.

Ich glaube, an dem Abend bin ich 10 Jahre älter geworden, denn als "Leiterin" des Hause an diesem Abend hätte ich dem Publikum erklären müssen, warum ihr so verehrter Schlagersänger nicht auf die Bühne kommt. Aus der ganzen Umgebung waren Busse mit Gästen eingetroffen, viele Rentner waren sicher froh, überhaupt eine Eintrittskarte erwischt zu haben.

Da stand ich nun mit meinen erst 27 Jahren, unsicher und gerade von den Männern der Bühnentechnik noch nicht voll akzeptiert. Irgendwann in dieser Stunde ist es mir dann doch gelungen, unsere Techniker zur Mehrarbeit zu bewegen und die Veranstaltung begann. Eine Lehre habe ich daraus gezogen. Nie wieder machte ich freiwillig Dienst an einem Abend, wo ich Vorbehalte gegen den oder die Auftretende(n) hatte.

Und eines will ich auch erwähnen. Die Arbeit, die mir in allen Facetten Spaß gemacht hat, war mit der Einverleibung der DDR in die BRD beendet. Es gab ein DDR-Gesetz, daß die Anstellung eines Sicherheitsinspektors in Häusern, die Eigenschaus produzierten, vorschrieb. Dieses Gesetz trat am 03.10.1990 außer Kraft.

Nachtrag:
Wer den netten jungen Mann erkennt, weiß, wer mir an jenem Abend vor ca. 20 Jahren das Leben so schwer gemacht hat.
Und nein, ich habe immer noch kein eigenes Internet, jetzt fehlt noch eine Anschlußkennung und vor Dienstag kommt die nicht. Habt bitte noch etwas Geduld.

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Meine liebe Jette,
Gerade wollte ich mich eine Stunde hinlegen, da macht mir meine edle traute ♥♥Enissa♥♥ darauf aufmerksam daβ es einen frischen langen Beitrag in deinem Blog gebe. Wie ich mich freue! Hattest wohl Haushaltstag heute? Oder gibt es den im BRD Regime auch nicht mehr? Da ich erfahre daβ Du Kulturfunktionärin und vor allem Arbeitsinspektor warst, ist meine Bewunderung für Dich noch gestiegen. Ich werde das gleich ausdrucken mit einer dir gewidmete Ansichtskarte von Neubrandenburg in meinem Blog. Es gibt aber – ungefähr eine Woche ist es her – schon eine die auf dich gewartet. Entdecke es nur, und schreibe mir!!!
Jedoch zuvor MUβ ich mich etwas ausruhen! Ich wünsche dir, wie unseren guten Unterhaltungskünstler es taten (nicht die Eingebildeten wie der von dir Beschriebener): Toj, Toj, Toj.
Es freut sich mit dir und grüβt ganz lieb,
deine Freundin
Nadja

Immer bereit!Swegda gotow!

gruesdi hat gesagt…

Sehr interessant - mal was anderes. Du schilderst eine Welt, die ich nicht kannte und kenne.

Du hast deinen Beitrag sehr schön aufgebaut. Die Spannung steigt und hält sich bis zum letzten Satz. Man erwartet den Namen des ominösen Sängers. Man platzt förmlich vor Neugierde. Es folgt keine Auflösung. Wie soll ich jetzt schlafen. Die ganze Nacht werde ich grübeln, mich hin und her wälzen, schweißgebadet aufwachen und doch nicht wissen, wer er war. Ich bitte dringend um Auflösung der Frage aller Fragen.

Jeanette hat gesagt…

Es tut mir leid, ich wollte auch ein Bild veröffentlichen, den Namen nicht nennen, aber wenigstens ein Bild. Leider kann ich hier von der Arbeit kein Bild hochladen. Aber es besteht Hoffnung, daß ich heute den Brief mit meinen neuen Zugangsdaten bekomme und dann ein Hardreset meines Routers durchführen kann, dann kommt das Bild nach :-).

Jeanette hat gesagt…

Nein, liebe Nadja, ich hatte keinen Haushaltstag, hach das waren noch Zeiten. Diesen Beitrag habe ich vorgestern und gestern in meiner Mittagspause geschrieben. Ich habe ja noch kein Internet zu Hause, ich hoffe sehr auf heute.
LG Jette

Mohnblume54 hat gesagt…

Das ist ja lustig - beim Lesen von Archies Erinnerungen mußte auch ich an meine früheren Kulturerlebnisse denken. Ich ging in Görlitz zur Schule und sang mit Begeisterung im Schulchor unserer EOS. Die Chorleiterin organisierte ganz viele Auftritte, manche fanden mit dem Orchester und einzelnen Solisten des Gerhard-Hauptmann-Theaters statt. Höhepunkt war ein Auftritt zu Lenins 100. Geburtstag in der Görlitzer Stadthalle. Ich kenne noch heute fast alle Textzeilen und Melodien der aufgeführten Stücke. Alle Proben waren ein Erlebnis für sich, zumal mein großer Schwarm, ein Gastschauspieler aus der CSSR, bei einem Lied fast unmittelbar vor mir stand. Hach ja... Die monatlichen Schülerkonzerte brachten zwar keinen "Umsatz" aber die Besucherzahlen waren hoch/höher/am höchsten und ich lernte in diesen Jahren Drorak, Beethoven, Smetana, Chopin kennen und lieben. Umso schmerzhafter ist der heutige Zustand der Stadthalle. Er passt aber in die heutige Gesellschaft. Liebe Grüße und viel Glück

Anonym hat gesagt…

Haha, cool - er wurde im letzten Monat 70. Hoffentlich ist gruesdi jetzt zufrieden eingeschlafen.
Tut mir leid mit deinem Internet.

gruesdi hat gesagt…

Gruesdi kann wieder ruhig schlafen. Das ist vielleicht ein Schockbild. Man kann es ja kaum glauben, dass dieser Schwarm aller damaligen potientiellen Schwiegermütter so pieselig war. Ich gehöre nicht zur Generation "Volksmusik", singt ER noch immer?

Marianne hat gesagt…

Hallo Jette,
na da hätte ich auch Vorbehalte gehabt.
Meine Mutter schwelgt ja heute noch in Begeisterung, mich überläuft es eher eiskalt ... (Uwe sagt immer, ich kriege ne Ekelpelle!)
Mein Ex-Mann war lange Zeit Bühnentechniker am Schwedter Theater bzw. Kulturhaus. Da habe ich auch jede Menge Künstler kennengelernt, zum Glück waren solche Typen doch eher die Ausnahme. Ich erinnere mich auch gern an diese Zeit, vor allem wenn unsere Ostbands auftraten.